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Zweiter weltwärts-Bericht von David

vom 18. Februar 2012

 

Woran merke ich, dass schon 6 Monate, fast die Hälfte meines Freiwilligendienstes, vergangen sind?


Daran, dass der Müll und Gestank fester Bestandteil meines Alltags geworden ist und sich das Chaos zum Normalzustand entwickelt hat oder daran, dass sich Erlebnisse wiederholen?

Oder vielleicht daran, dass ich versuche die „heiße Phase“ im Projekt einzuläuten; dass ich das Gefühl habe, jetzt oder nie muss ich etwas erreichen oder, dass ich mir Gedanken mache, wie ich alle Ideen noch rechtzeitig umsetzen kann?

Sicher aber auch daran, dass ich anfange mich mit der Zeit nach dem FSJ zu beschäftigen, Pläne schmiede und wieder verwerfe und die Zukunft schon wieder stärker in den Fokus rückt, unsere Nachfolger schon ausgewählt sind?

Es ist wohl eine Kombination aus allen diesen Punkten, doch was ergibt das für ein Gefühl?
Bunt gemischt auf jeden Fall; viele Fragezeichen. Motivation und Freude für die nächsten 6 Monate und danach erst mal Ungewissheit. Doch vor dem Aus- zuerst der Rückblick.

Was hat sich in den letzten drei Monaten getan? 

KCC
Seit den großen Ferien im Dezember hat sich die Situation sehr  verändert. Während im November regelmäßig auch über 50 Kinder gekommen sind, kamen in der ersten Schulwoche im Januar maximal 10 bis 15. Langsam aber sicher steigt jetzt die Zahl der Kinder wieder (Heute: ca.30), doch immer noch sind die Auswirkungen der starken Unwetter kurz vor Weihnachten auf die Geldbeutel der ärmeren Familien zu spüren. Und wenn eben weniger Geld vorhanden ist, fällt als erstes der Kindergartenbesuch für die Kleinkinder weg. 
Die kleinere Anzahl an Kindern hatte positive Auswirkung auf den Lautstärkepegel und die „Lernsituation“ aber negative auf die Finanzsituation von Regina, der einzigen „Kindergärtnerin“; folglich gibt es erst wieder seit Kurzem Uji (Porridge) zum Trinken. 
Voran geht es aber in jedem Fall: Neue Tische und Bänke wurden noch im November angeschafft, der Klassenraum von mir ein bisschen „dekoriert“ und gerade heute die Rutsche und die Schaukel repariert. Außerdem steht die Entscheidung des Zementherstellers Twiga Cement über einen Unterstützungsantrag (1,5 Tonnen Zement für Baumaßnahmen) für das KCC kurz bevor, womit dann ein großer Schritt in Richtung einer offiziellen Registrierung getan werden könnte. 
Die Perspektive ist im Moment wunderbar und stimmt mich glücklich. 
Mit Regina komme ich jetzt immer besser zurecht, nachdem am Anfang die Stimmung immer etwas trübe war, verstehen wir uns jetzt immer besser. Eines hat mich in der letzten Woche wirklich überrascht: Ich bin immer davon ausgegangen, dass sich Regina, die keine Ausbildung als Lehrerin oder Erzieherin hat, jedem Wandel im Kindergarten entgegenstellt. Zu lange schon arbeitet sie in den gleichen Mustern und hat sich den monotonen Ablauf im Kindergarten angeeignet. Doch nachdem ich vor ein paar Wochen angefangen habe, verschiedene „Lernplakate“ mit zum Beispiel dem Alphabet, einfachen Zahlen und eine Kinderskizze zum Benennen von Körperteilen im Klassenraum aufzuhängen, hat Regina in der letzten Woche zwei, wenn auch sehr einfachen Plakate, mit Silben und Zahlen von eins bis 140 gezeichnet. Ich war überrascht, denn so viel Eigeninitiative hatte ich ihr gar nicht zugetraut. Ein zweites, wenn auch sehr banales Beispiel zeigte mir ebenfalls, dass sie vielleicht doch zu Veränderungen bereit wäre. Normalerweise werden jeden (!!!) Tag die gleichen Zahlen in der gleichen Abfolge an die Tafel geschrieben. Ich hatte dann aber angefangen, nur die Zahlen von eins bis 50 anzuschreiben (was als Lernpensum für 3 und 4-jährige Kinder völlig ausreicht). Am nächsten Tag hatte dann auch Regina eine neue Methode entwickelt. 
Diese Beispiele mögen trivial klingen, sie zeigen mir aber, dass Regina durchaus zu einer Weiterentwicklung der pädagogischen Methoden bereit wäre, es aber an einer ausgebildeten Vorbildfigur fehlt. Ich kann zwar einfache Sachen anstoßen, aber eine wirkliche Verbesserung wäre ein ausgebildeter Lehrer, der die älteren Kinder unterrichtet sodass Regina dann mit den Jüngeren arbeiten könnte. 

Fußballteam
Auch wenn die Situation im Kindergarten gerade sehr positiv ist, so bietet die Arbeit im Fußballteam doch in letzter Zeit häufiger Frustrationserlebnisse. Vor den Ferien war ich guter Dinge, dass es auch mit dem Fußballteam in die richtige Richtung geht. Zusammen mit dem Trainer Rashid hatten wir es geschafft alle Kinder mit einem Registrierungsformular zu versorgen, einen beständigen Stamm an Trainingsteilnehmern zu schaffen, Fußbälle und Schuhe zu besorgen und das Training pünktlich beginnen zu lassen. Auch war geplant eine Art Liga zu organisieren und regelmäßige Freundschaftsspiele stattfinden zu lassen. 
Als ich Januar nach sechs Wochen wieder zu ersten Mal zum Training kam, waren eine halbe Stunde nach Trainingsbeginn nur zwei Kinder da. Zwei Fußbälle waren verschwunden, nur noch 10 der 17 Paar Schuhe einigermaßen benutzbar, von den Plastikhütchen ein Drittel zerbrochen und die Tragtasche zerfetzt. Ich hatte das Gefühl mit allem nochmal von vorne anfangen zu müssen. 

Ich bin in keiner Weise der Meinung, es bedürfe eines „Mzungu“, der auf die Sachen aufpasst, damit sie nicht alle verschwinden oder kaputtgehen. Und ich wollte von da an diese Position, die mir von den Ferien zugeschoben wurde, nicht mehr innehaben. Wenn es nicht von alleine klappt, d.h. ohne jemanden der die ganze Zeit aufpasst (etc.) dann klappt es eben nicht. 

Hinzu kam außerdem, dass Alfred, der Chef des TSE (Franzis Arbeitsstelle, die das Team auf die Beine stellt) andeutete, das Fußballteam, auf Grund der unbefriedigenden Erfahrungen ganz einzustellen. Dies ist bis dato noch nicht geschehen, aber im Moment bin ich beim besten Willen nicht in der Lage viel Energie in die Arbeit fürs Fußballteam zu stecken, wenn ersten Rashid seine Arbeitseinstellung beibehält und zweitens keiner ein wirkliches Interesse daran hat, dass es geordnet und strukturiert beim Training zugeht. 

Reisen

Die großen Ferien haben Franzi und ich ausgiebig dazu genutzt, eine zweite afrikanische Wirklichkeit kennen zu lernen. Unsere dreiwöchige Reise führte uns mit der TAZARA Eisenbahn nach Sambia und von dort aus mit dem Bus über die Victoria-Fälle bis an die Atlantikküste Namibias. Wunderschön, abwechslungsreich und faszinierend aber auch anstrengend waren die fast 8500km, die wir in drei Wochen zurückgelegt haben. In Namibia sind wir in eine andere Welt eingetaucht, wo weniger die flächendeckende Armut aber eher der ausufernde Rassismus den Alltag bestimmt. 
(Zu der Reise gibt es zwei ausführliche Berichte auf: www.davidintansania.blogspot.com)
Kurz vor Weihnachten waren wir dann zurück in Dar es Salaam, das gerade von den schlimmsten Regenfällen seit 60 Jahren betroffen war. Ubungo ist als Stadtteil glimpflich davon gekommen, in den tieferliegenden, ärmeren Gebieten sind viele Menschen ertrunken und Slums überflutet worden. 
Mein Bruder Ruben kam rechtzeitig zu unserem Weihnachtsfestessen (Kartoffeln, Rotkohl und Ente) am 24. Dezember in Dar es Salaam an. Mit ihm zusammen habe ich eine Tour Richtung Kilimanjaro, Moshi und Arusha und auch eine dreitägige Safari in den nördlichen Parks gemacht. Wundervoll waren die dort gesammelten Eindrücke, Herden von Elefanten beim Bad im Fluss (Tarangire National Park), Affenfamilien beim Spielen (Lake Manyara National Park) und eine gänzliche paradiesische Landschaft im Ngorongoro Krater. 
Nach einem gemütlichen Silvester in Dar es Salaam, ging es nach Sansibar zum 5-tägigen Zwischenseminar, von dem ich vor allem ein paar gute Freunde gewonnen habe. Sansibar an sich bietet mit den traumhaften Stränden und der ruhigen Atmosphäre von Stonetown einen Gegenpol zum hektischen Dar es Salaam. Abends durch die engen, verwinkelten Gassen von Stonetown zu streifen, den Menschen beim Kaffee auf den Stufen ihrer Häuser zuzuhören oder einfach nur die architektonischen Besonderheiten Stonetowns zu betrachten; diese Möglichkeiten vermisse ich in Dar es Salaam, einer Stadt, die meiner Meinung nach eher als eine „Zweckstadt“ dient.

Zukunft
- Im Projekt

Wenn ich mir vorstelle, was alles noch im Kindergarten gemacht werden kann, kribbelt es mir in den Fingern. So viel ist möglich und ich bin gespannt, wie viel ich noch umsetzen kann. Ich freue mich hier eine einmalige Chance zu haben und die auch nutzen zu können. Man sagt dem „weltwärts“- Freiwilligendienst ja manchmal nach, dass der Freiwillige sowieso keine Möglichkeiten hat in seinem Projekt eine nachhaltige Entwicklung einzuleiten. Ich dagegen habe jetzt genauso diese Möglichkeit. Auf jeden Fall sehe ich mit großer Zuversicht und Freude auf die nächsten sechs Monate. 

- Nach dem FSJ
Ich habe bereits begonnen, konkrete Pläne d.h. Studiengänge und –orte zu recherchieren und es kristallisiert sich bereits ein Studiengang im Feld der Political Science heraus. Am liebsten wäre mir sogar ein Studium im europäischen Ausland, vielleicht eine Bachelor in Englisch. Leider mangelt es mir derzeit an der Zeit, mich intensiv mit diesen Perspektiven auseinander zu setzen. 
Viele Freiwillige scheinen nach der Rückkehr in eine Art Loch zu fallen, d.h. mit den Erfahrungen überwältigt zu sein und deshalb die Zukunft nicht im Auge zu haben. Dies möchte ich auf jeden Fall vermeiden. 

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